Michelle Kolb
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Heinz Loretini ist in Gossau heimisch geworden. tb
Im letzten Frühjahr endete Heinz Loretinis Berufskarriere nach 23 Jahren als Leiter Finanzen der Stadt Gossau. Nun möchte er sein Wissen als Stadtparlamentarier weiter zum Wohl von Gossau einsetzen und sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine respektvolle politische Kultur stark machen.
Stadtparlament Präsident der Gemeinnützigen und Hilfsgesellschaft der Stadt St.Gallen (GHG), Präsident der Spitex Gossau, Revisor der FDP-Ortspartei, Kassier der Forti-Gönnervereinigung Mille Piu, Präsident des Vereins Wohnen im Alter und nun auch noch Stadtparlamentarier: Langweilig dürfte es Heinz Loretini nicht werden, auch wenn er Ende April des letzten Jahrs offiziell in Pension ging. «Soll ich den ganzen Tag zuhause sitzen und warten, bis es Abend wird?», fragt er rhetorisch. Es ist auch keinesfalls so, dass Loretini erst im Pensionsalter begann, sich in Vereinen und Institutionen zu engagieren. Der GHG beispielsweise trat er vor 37 Jahren als Kassier bei. Seit 20 Jahren steht er der als Verein organisierten Institution vor, die heute rund 800 Mitarbeitende zählt und Alters- und Pflegeheime, Spezialschulen sowie Kita, Wohnheim und Brockenhaus betreibt. Noch länger ist der 66-Jährige Mitglied in der FDP. Vor 50 Jahren trat er als 16-Jähriger den Jungfreisinnigen bei und blieb der Partei seither treu. «Die Partei war mir seit jeher am nächsten. Ich setzte auf Eigenverantwortung und möchte, dass alle Leute möglichst viele Freiheiten haben», erklärt Loretini. Als Mitglied der evangelischen Kirche sei die CVP ohnehin nicht infrage gekommen und als Banklehrling die SP auch nicht, ergänzt er lachend. Durch die Wohnortswechsel von Rorschach zurück nach St.Gallen, wo Loretini aufgewachsen ist, und später nach Gossau lernte er verschiedene Ortsparteien kennen.
«Da ich in Gossau als Leiter Finanzen tätig war, engagierte ich mich bis zur Pensionierung nicht in der Ortspartei, sondern war einfaches Mitglied», erklärt Loretini. Doch nachdem er 23 Jahre lang Teil der Verwaltung war, habe es ihn gereizt, die Gegenseite kennenzulernen. Deshalb habe er sich für eine Kandidatur fürs Stadtparlament zur Verfügung gestellt. «Seit 2001 habe ich mir viel Wissen über die Gossauer Verwaltung aneignen können. Dieses Wissen möchte ich nun zum Wohl der Stadt einbringen», sagt der Neo-Parlamentarier, der als Vierter auf der FDP-Liste hinter drei Bisherigen auf Anhieb gewählt wurde. Dank seiner Kenntnisse von der Verwaltung könne er vielleicht Anregungen geben, wie etwas auch gemacht werden könnte. Auf der anderen Seite möchte er auch an seine neuen Kolleginnen und Kollegen im Parlament appellieren: «Wie der Stadtrat zuletzt teilweise angegangen wurde, geht nicht. Das entspricht keiner guten politischen Kultur.» Der Stadtrat überlege sich sehr wohl etwas bei der Arbeit und habe in den letzten Jahren einige Erfolge verzeichnen können. So habe die Stadt grosse Firmen in Gossau angesiedelt und sämtliche Haushalte verfügten über Glasfaseranschlüsse, nennt Loretini als Beispiele. Die ständige Kritik am Stadtrat könne er nicht unterstützen. «Der Gossauer Stadtrat hat keine schlechten Noten verdient», stellt Loretini fest.
Nicht nur im Umgang mit dem Stadtrat, sondern auch untereinander wünscht sich Loretini eine von Respekt geprägte politische Kultur: «Jede Seite soll ihren Standpunkt vertreten. Es darf auch kontrovers diskutiert werden. Aber nach der Debatte muss dies vergessen sein.» Die Parlamentarier müssten es positiv betrachten, könnten sie gemeinsam etwas zur Gestaltung der Stadt beitragen. Loretini hat vor, dereinst einen Appell mit dieser Botschaft an seine Kolleginnen und Kollegen zu richten. «Vielleicht während der Budgetsitzung, dort wäre der richtige Ort dafür», sagt er schmunzelnd. Neben dem gesellschaftlichen Zusammenhalt sind die Finanzen wenig überraschend das Thema, das ihm besonders am Herzen liegt: «Die Finanzen sind die Grundlage für alles». Dass die Stadt zu wenig Geld hat, stimmt für Loretini nicht. «Wir haben genug Geld. Es wird nur teilweise am falschen Ort eingesetzt.» In dieser Hinsicht erwarte er von Mitgliedern des Stadtparlaments aber klare Ansagen an den Stadtrat, in welchen Bereichen zu sparen ist. «Man kann diese Aufgabe nicht immer an den Stadtrat delegieren, sondern muss genug Zivilcourage haben, selbst Sparvorschläge zu bringen und dann auch die Kritik der Betroffenen aushalten», sagt Loretini. Persönlich werde er insbesondere Fragen stellen, so zum Beispiel: «Was erhalten wir weniger, wenn wir eine Stelle in der Stadtentwicklung streichen?» Nur so könne eine echte Diskussion über den richtigen Einsatz der finanziellen Mittel stattfinden.
Dass Loretini das Wohl von Gossau am Herzen liegt, zeigt sich nicht nur in seinen Ausführungen, sondern auch in der Tatsache, dass er seinen Wohnsitz trotz Pensionierung nicht mehr zurück nach St.Gallen verlegen möchte. «2001 kam ich wegen des Berufs nach Gossau. Ich möchte immer zu Fuss zur Arbeit gehen können», erzählt der leidenschaftliche Zigarrenraucher. Um sich zu integrieren, sei er verschiedenen Vereinen beigetreten. So wirkte Loretini für den Gönnerverein des Walter Zoos, engagierte sich im Verein Gossau plus und amtete als Finanzchef des FC Gossau und des TSV Fortitudo Gossau. «Und heute kenne ich in Gossau so viele Leute, dass ich hier nicht mehr weg möchte!»
Tobias Baumann
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