Maria Pappa
präsentierte die wenig erfreulichen Finanzzahlen der Stadt St.Gallen.
Sammelte die Beratungsstelle für Flüchtlinge der Gemeinde Herisau unrechtmässig Daten? Vor Gericht konnte dieser Vorwurf zumindest nicht entkräftet werden. Symbolbild
Das Obergericht hatte im Rechtsstreit zwischen der Organisation «Beratung und Betreuung für Migranten» und der Beratungsstelle für Flüchtlinge der Gemeinde Herisau um unrechtmässige Datenbeschaffung die Begründung der Gemeinde als «nicht glaubhaft» bezeichnet. Das Bundesgericht trat nun auf die Beschwerde der Gemeinde nicht ein.
Gerichtsfall Am Ursprung des Falls steht der Vorwurf, die Beratungsstelle für Flüchtlinge, die im Amt für Soziales der Gemeinde Herisau angesiedelt ist, soll Familien dazu angehalten haben, Informationen über die Mitarbeitenden der Organisation «Beratung und Betreuung für Migranten» (BBFM) zu sammeln. Gegründet wurde BBFM 2019 von Shahryar Hemmaty, der früher als Leiter Asylberatung und interimistischer Bereichsleiter der Beratungsstelle für Flüchtlinge AR gearbeitet hat. Hemmaty sagt, mehrere Familien seien aufgefordert worden, Daten über die Tätigkeit der BBFM zu sammeln, was die Beratungsstelle für Flüchtlinge bestreitet. «Von der Beratungsstelle für Flüchtlinge erfolgt keine Datenbearbeitung über die BBFM», hielt die Gemeinde in einem Schreiben fest. Entsprechend könnten im Datenauskunftsbegehren auch keine Daten ausgehändigt werden.
Hemmaty hatte beim Gemeinderat Einsicht in die gesammelten Dokumente verlangt. Eine Familie hatte der BBFM Datenblätter ausgehändigt, auf denen in einer Spalte neben Datum und Zeit die Namen von Mitarbeitenden der BBFM aufgeführt waren – weiter folgte eine Spalte, die mit «Thema/Warum Termin» beschriftet war. Die Beratungsstelle für Flüchtlinge argumentierte, dabei habe es sich lediglich um eine Organisationshilfe für die Familie gehandelt. Auf diesen Standpunkt stellte sich auch der Gemeinderat, als er Hemmatys Beschwerde im Datenauskunftsbegehren ablehnte. Das Obergericht hielt dagegen fest: «In Anbetracht dieser Umstände erscheint es nicht glaubhaft, dass es sich beim Formular vom Oktober 2022 bloss um eine Hilfestellung zwecks Organisation von Terminen der betroffenen Familie handelte.» Es wies die Gemeinde an, den Beschwerdeführern umgehend Einsicht in allfällige weitere entsprechende Dokumente zu geben.
Die Gemeinde zog das Urteil ans Bundesgericht weiter mit der Begründung, dieses hätte einen erheblichen Reputationsschaden für die Gemeinde Herisau zur Folge: «Würden die Vorwürfe (Red.: der unrechtmässigen Datenbeschaffung) zutreffen, hätte man ausserdem personalrechtliche, aufsichtsrechtliche, allenfalls gar strafrechtliche Konsequenzen zu Lasten des Personals zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen». Dafür sieht die Gemeinde, nachdem das Bundesgericht nicht auf die Beschwerde eingetreten und den Entscheid des Obergerichts als letztinstanzlich bestätigt hat, nun aber keine Veranlassung mehr. «Weder das Obergericht noch das Bundesgericht haben die Vorwürfe bestätigt! Das Obergericht hat lediglich von Hinweisen gesprochen. Wir halten daran fest, dass die Beratungsstelle für Flüchtlinge fachlich und sachlich korrekt gehandelt hat», schreibt sie auf Anfrage. Die Einschätzung des Obergerichts, dass es Indizien für eine illegale Datenbeschaffung gebe, nehme man zur Kenntnis. «Dass der Gemeinderat trotz der vorliegenden Gerichtsurteile keinen Handlungsbedarf sieht und weiterhin darauf beharrt, dass die Vorgehensweise korrekt gewesen sei, lässt vermuten, dass die Datenschutzverletzungen der Behörde möglicherweise bekannt waren, jedoch bewusst keine Massnahmen ergriffen wurden», sagt dazu Hemmaty. Dies stelle einen klaren Widerspruch zu rechtsstaatlichen Prinzipien dar.
Auf die Frage, ob die Gemeinde zivilrechtliche Entschädigungsforderungen der BBFM für entgangene Aufträge fürchtet, schreibt die Gemeinde: «Wir sehen dafür keinen Anlass und keine rechtliche Grundlage». Wichtiger als allfällige Schadenersatzforderungen sei für seine Organisation, dass man in Herisau wieder Familienbetreuung betreiben könne, sagt Hemmaty auf die entsprechende Frage. «Wir sind in dieser Gemeinde ansässig und haben ein Beziehungsnetz aufgebaut, das in der Flüchtlingsbetreuung wertvoll ist», sagt Hemmaty. Auf die Frage, ob sich die Beratungsstelle für Flüchtlinge zuletzt gegen eine Zuweisung von Fällen an die BBFM ausgesprochen hat und ob dies weiterhin so bleibt, falls es zutrifft, schreibt die Gemeinde: «Die Beratungsstelle für Flüchtlinge arbeitet jeweils mit möglichst geeigneten Partnern zusammen. Soweit die KESB eine Massnahme angeordnet hat, hat die Beratungsstelle für Flüchtlinge die Verfügung mit den bestimmten Partnern umzusetzen.» Auf die Frage, ob es zutrifft, dass die betroffene Mitarbeiterin, welche das Formular erstellt hat, nicht mehr für die Gemeinde Herisau arbeitet und inwieweit dies mit dem Fall zu tun hat, äussert sich die Gemeinde aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes nicht.
Von Tobias Baumann
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