Ruth Inauen
Die 20. Guggennacht Engelburg ist die letzte, die sie organisiert.
Die Herischrenzer blicken auf vier Jahrzehnte zurück. z.V.g.
Bald werden die Pauken und Trompeten verstummen: Die Guggenmusik Herischerenzer aus Herisau hören nach 40 Jahren auf. Initiant und Gründungsmitglied Andy Lehmann blickt auf vier Jahrzehnte zurück und erklärt, warum es an der Zeit ist, nach der Fasnacht aufzuhören.
Fasnacht Einige Tränen flossen am letzten Vereinsausflug der Herischrenzer. Dort fiel der Entscheid, der nicht leicht fiel: Der Verein beschloss, dass die Fasnacht 2024/25 die letzte für die Herischrenzer sein wird. «Das fiel uns natürlich nicht leicht. Aber wir zählen 30 Mitglieder und von neun wussten wir, dass sie nach dem Jubiläumsjahr aufhören würden. Die restlichen 20 Mitglieder wären zwar spielfähig gewesen, aber die Hälfte jener, die geht, sind tragende Stimmen. Diese in nützlicher Frist ersetzten zu können, ist kaum möglich», sagt Andy Lehmann, Mitgründer der Herischrenzer. Man fand es gescheiter, jetzt aufzuhören, statt irgendwann sang- und klanglos zu verschwinden. «Das hat man bei anderen Guggen gesehen, das wollten wir nicht. Der Entscheid hat schon weh getan, aber man soll aufhören, wenn es am schönsten ist», sagt Lehmann. Ein Ende böte schliesslich auch die Chance, etwas Neues aufzubauen.
Als Lehmann 16 Jahre alt war, im Jahr 1984 gründete er gemeinsam mit Nicole Rechsteiner, René Ehrbar, Rolf Büchi und Patricia Svoboda-Signer die Herischrenzer. Damals hatte die Gugge fünf Stücke in ihrem Repertoire und spielte am ersten Abend im Gründungsjahr zuerst in Gossau. «Wir haben uns nicht getraut, in Herisau zu spielen», sagt Lehmann und lacht. Der Verein erlebte in all den Jahren einige Hochs und Tiefs. Amüsiert meint Lehmann, der Verein habe sich in den ersten paar Jahren gefühlt fünf Mal aufgelöst. «In jenem Alter hatten wir auch noch andere Interessen. Da ging man manchmal halt lieber in die Disco statt in die Probe», so Lehmann. Das habe ab und an auch zu Reibereien geführt. Über die Jahre allerdings lief alles in ruhigere Bahnen über und die Anzahl Mitglieder stieg. «Viele unserer Vereinsmitglieder sind teils über 20 Jahre und mehr dabei», sagt der begeisterte Fasnächtler. Der Zusammenhalt sei dadurch extrem gewachsen, man kenne sich unglaublich gut. «Vor 25 Jahren standen wir schon einmal vor dem selben Dilemma wie heute, auch damals hörten neun Mitglieder auf. Da waren wir aber nur noch zwölf, viel war nicht mehr übrig», erinnert sich Lehmann. Damals fanden aber alle, das könne es noch nicht gewesen sein. «Wir fanden genügend Neumitglieder, damals war es ein regelrechter Boom, in die Guggenmusik zu wollen. Wie Pilze sind die diversen Gruppen aus dem Boden geschossen», sagt er.
Heute sei es schwieriger geworden, neue Mitglieder zu finden. «Das liegt vielleicht auch an unserem Repertoire, mit dem wir nicht zwingend junge Menschen anziehen. Mit unserer Auswahl an Stücken haben wir aber Erfolg – es sind ältere Songs und man kennt sie gut. Es gibt nichts Schlimmeres, wenn die Musik gut ist, aber niemand die Lieder kennt. Wir sind auch immer das Kontrastprogramm zu anderen Guggen», sagt Lehmann. Der Gugger ist Fasnächtler durch und durch, kaum vorstellbar eigentlich, dass er sein Instrument niederlegen wird. «Ich habe die Guggenmusik schon mit der Muttermilch aufgenommen», meint er und lacht. Man sei eine fasnachtsverrückte Familie gewesen, die Mutter hatte einen Kostümverleih, der Vater war Präsident in einer Guggenmusik, Lehmann selbst bereits in einer Kindergugge Teil der Fasnacht. «Fasnacht ist für mich die schönste Zeit im Jahr. Ich blende dann vieles um mich aus, die Nachrichten, das Weltgeschehen. Ich lebe in einer Blase in der verrücktesten Zeit der Fasnacht – wie in einer anderen Welt», schwärmt er. Sorgen seien zwar auch dann noch da, aber weit im Hintergrund. «Eine Zeit zum Geniessen.
Nun sind die Herischrenzer zum letzten Mal gemeinsam unterwegs, meist in der Region, abgesehen von zwei Tagen in Schaffhausen. «Schön für uns wird noch einmal der grosse Fasnachtsumzug in Herisau sein. Seit Jahren organisieren wir diesen, so auch am 9. März, ein letztes Mal», verrät Lehmann. Am Abend zuvor geben die Herischrenzer in der Chälblihalle Herisau ihr Abschiedskonzert in zwei Teilen. «So können wir zwischen den Auftritten mit ehemaligen Schrenzern den Besucherinnen und Besuchern plaudern und anstossen.» Der letzte Auftritt findet dann am Funkensonntag im Schminklokal der Gugge statt, im Restaurant Engel. «Gäste sind natürlich auch willkommen», sagt Lehmann. Wehmütig sei man bislang noch nicht. «Alle haben natürlich Respekt vor dem letzten Abend, da dürften wohl auch noch mal Tränen fliessen. Derzeit aber sind alle motiviert, die Stimmung gut. Wir haben sogar drei neue Stücke im Repertoire und bringen ein Best-of unserer Titel», sagt Lehmann. Wie weiter, wenn schliesslich der letzte Ton verklungen sein wird? Das sei noch offen, so Lehmann. «Ich gehe an der nächsten Fasnacht vielleicht in die Ferien – könnte sein, dass die Fasnacht ohne Aufgabe sonst zu nah ist», so Lehmann schmunzelnd. Jetzt werde aber noch die aktuelle Fasnacht richtig ausgekostet.
Stefanie Rohner
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