Julia Buchmann
ist am Schweizer Filmpreis 2025 als beste Schauspielerin nominiert.
Faszination True Crime: Podcast über wahre Verbrechen gibt es zahlreiche. Sheryn Locher und Anja Leibacher sprechen in ihrem Podcast «Lebenslänglich?» über Kriminalfälle aus der Schweiz. Nun wurden die beiden für den Publikumspreis an den Suisse Podcast Awards nominiert.
Podcast Schon mehr als 1’000 Podcasts werden in der Schweiz produziert, Tendenz steigend. Am 27. März werden zum zweiten Mal die Suisse Podcast Awards durchgeführt. Neu eingeführt wurde der Publikumspreis. Für diesen wurden Sheryn Locher und Anja Leibacher mit «Lebenslänglich?» nominiert. «Das ist megacool und wir freuen uns – die Konkurrenz ist allerdings ziemlich gross», sagt Locher. Aus den zahlreichen Einsendungen von Zuhörerinnen und Zuhörern und den Vorschlägen der Suisse Podcast Academy wurden 20 Podcasts für den Publikumspreis nominiert. Nebst Reichweite waren Relevanz, Singularität und Originalität Auswahlkriterien. Ob sich die Herisauerin und die Aargauerin den Preis holen, ist offen. «Für die Reichweite, Hörerzahlen und Anzahl Follower wäre das sicherlich hilfreich. Es wäre schön, wenn noch mehr auf uns aufmerksam würden», so Locher.
Im Bereich True Crime widmen sich unzählige Podcasterinnen und Podcaster den menschlichen Abgründen. Viele von ihnen sind englischsprachig oder aus Deutschland. «Wir stellten fest, dass es keine Podcasts gab, welche sich Schweizer Kriminalfällen widmen und entschlossen, dass wir das machen wollen. Inzwischen sind wir aber nicht mehr die einzigen», sagt Locher. Die beiden Frauen haben sich bei ihrer Ausbildung bei «toxic.fm» kennengelernt und dort festgestellt, dass sie beide regelmässige Hörerinnen von True Crime-Podcasts sind. Im November 2022 brachten die beiden schliesslich die erste Folge heraus. Diese widmete sich dem Zuger Attentat 2001. Damals stürmte Friedrich Leibacher mit mehreren Waffen das Regierungsgebäude und erschoss in zweieinhalb Minuten 14 Politikerinnen und Politiker. «Es gibt in der Schweiz einige Verbrechen, die den Leuten bis heute in Erinnerung geblieben sind – und wir finden ständig neue», sagt die Herisauerin. Es gebe genügend Fälle für neue Folgen. «Wir haben schon jetzt eine sehr lange Liste mit Fällen, die wir noch machen wollen», meint sie. Oftmals würden Hörerinnen und Hörer ihnen auch Fälle aus den Dörfern zusenden, aus denen sie kommen. In den eineinhalb Jahren haben die beiden Frauen 35 Folgen veröffentlicht, stets im Rhythmus von zwei Wochen. Einige Folgen sind auch Locher besonders in Erinnerung geblieben. «Wir konnten mit einem Angehörigen sprechen, der mit acht Jahren seine Zwillingsschwester durch einen Mörder verloren hatte. In der Familie hat man das lange nicht thematisiert, weswegen er sich erst viel später damit auseinandergesetzt hat», erzählt Locher. Er hat über den Fall und seine Verarbeitung des Todes seiner Schwester ein Buch geschrieben, weswegen sie ihn kontaktierte. «Da er bereits damit an die Öffentlichkeit gegangen war, fand ich es okay zu fragen. Ansonsten würde ich nie Angehörige anschreiben», sagt die 20-Jährige. Den Hörerinnen und Hörern sei diese Folge besonders nahe gegangen, genauso wie ihr selbst.
Je nach Folge kann der Aufwand für die Recherche gross sein. «Wir haben mal einen ziemlich alten Fall gemacht, für den ich im Staatsarchiv alte Texte lesen musste. Nur schon die Schrift war eine Herausforderung, weswegen ich nur für die Texte einen Tag gebraucht habe», so Locher. Danach führte sie noch ein Interview und musste das Skript für die Aufnahme schreiben. Teils könne es daher drei bis vier Tage dauern, bis eine Folge fertig ist. «Bei gut aufgearbeiteten Fällen sind wir in zwei Tagen fertig – bei der Aufnahme und im Schnitt sind wir ohnehin schnell», sagt Locher. Auch ein Herisauer Fall aus den 60er-Jahren hat es in eine der Folgen geschafft. «Ich konnte dafür mit einem Polizisten sprechen, der ganz zu Beginn seiner Polizeikarriere vor Ort war. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war er 90 Jahre alt», sagt Locher. Damals kam es zu einem Femizid. Ein junger Mann hatte seine Freundin umgebracht. «Sie wollten sich treffen, da sie sich trennen wollte und er hat sie bei diesem Treffen umgebracht», berichtet Locher. Die beiden Podcasterinnen sprechen für jede Folge mit Expertinnen und Experten – das sind Leute aus der Justiz, Gerichtsreporter, Strafrechtsprofessorinnen oder Gerichtsmediziner. «So erhalten wir spannende Einblicke und seriöse Fakten», meint Locher. Doch nicht nur mit Fachleuten führen sie Interviews. Einmal konnte Locher gar mit jemandem sprechen, der selbst ein Verbrechen begangen hatte. «Das war sehr lehrreich. Der Bankräuber erzählte, was ihn zur Tat gebracht hatte und auch, wie er aus der Kriminalität wieder herausfand», erzählt sie. Die Hintergründe sind das, was die beiden fasziniert. «Mich interessieren die menschlichen Abgründe und die Gründe, weshalb Menschen Verbrechen begehen», so Locher. Inzwischen haben die beiden pro Folge durchschnittlich 4'000 Hörerinnen und Hörer, ihnen folgen zudem rund 2’550 Personen auf Spotify. «Es gab aber auch Folgen, bei denen wir rund 10'000 Hörerinnen und Hörer hatten. Über alle Folgen hinweg ist unser Podcast rund 150'000 Mal gehört worden», sagt Locher. Am Freitag haben die beiden ihre erste Live-Aufnahme mit Publikum. «Wir sind etwas nervös, aber sehr gespannt. Vielleicht werden wir den Auftritt wiederholen, sollte er gut laufen. Konkret peilen wir da die Stuhlfabrik in Herisau an», erklärt Locher. Den Podcast machen beide nebenberuflich. Anja Leibacher arbeitet als Produzentin bei Radio und Fernsehen und Sheryn Locher absolviert derzeit ein Praktikum bei einer Podcast-Agentur, bevor sie im Sommer studieren wird.
Stefanie Rohner
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