Benno Högger
Die Berufsfeuerwehr St.Gallen testet zurzeit den Bio-Treibstoff HVO.
Robin Eichmann (Juso) kandidiert im September für den Stadtrat.
Robin Eichmann (23) aus Goldach kandidiert im September für die Juso für den St.Galler Stadtrat. Im Interview verrät Eichmann, warum die Juso zur Wahl antritt und was sie in der Stadt St.Gallen verändern will.
Politik Robin Eichmann lebt seit dem Abschluss des Gymnasiums in der Stadt St.Gallen und absolvierte hier den Zivildienst bei der GHG Sonnhalde Tandem im Komiktheater, wo Eichmann im Anschluss noch ein knappes Jahr arbeitete. Mittlerweile studiert Eichmann Geschichte und Germanistik an der Universität Zürich und arbeitet nebenbei im Teilzeitpensum bei der SP im Sekretariat. Eichmann stiess 2017 vom lokalen Klimastreik Kollektiv zur Juso, war ab 2020 im städtischen und seit letztem Sommer im kantonalen Vorstand der Jungpartei und kandidierte im Herbst 2023 bereits für den Nationalrat und im Frühling dieses Jahres für den Kantonsrat. Robin Eichmann ist nonbinär und verwendet keine Pronomen.
Robin Eichmann, warum wollen Sie in den Stadtrat?
In unserer Stadt muss sich etwas ändern. Wir haben mit Maria Pappa zwar eine weibliche Seconda als Gesicht des Stadtrats, doch diese mutige, linke Kraft endet beim Stadtpräsidium. Neben ihr und Peter Jans ist der Stadtrat bürgerlich. Wir sehen bei den Stadtratsentscheidungen immer wieder, dass neben Matthias Gabathuler von der FDP und Markus Buschor auch Sonja Lüthi von der GLP zum bürgerlichen Block gehört und Entscheidungen nicht im Sinne einer linken, fortschrittlichen Stadt getroffen werden. So zum Beispiel bei Entscheidungen von Sonja Lüthi (GLP) zum neuen Taxireglement oder beim Bettelverbot. Da mit Patrick Angehrn von der Mitte Partei nun noch ein weiterer bürgerlicher in den Stadtrat will, müssen wir dagegenhalten. Wir wollen jetzt die Weichen für eine linke Regierung mit einer klaren Vision stellen.
Sie sind erst 23 Jahre alt. Wie sehr geht es euch auch darum, eine junge Stimme in den Stadtrat zu bringen?
Das hat für uns nicht unbedingt Priorität. Uns ist wichtiger, dass die Stimme konsequent links ist. Der Graben in Gesellschaft verläuft nicht zwischen Jung und Alt, wie er zum Beispiel in der Klimadebatte häufig dargestellt wird, sondern zwischen oben und unten, zwischen Reich und Arm. Die Juso macht Politik für alle. Klassenkampf mit Alt, Jung und auch mit den Boomers.
Was wollen Sie verändern, falls Sie in den Stadtrat gewählt werden?
Ich will eine geschärfte, linke Vision in den Stadtrat bringen. Dieser soll sich auch einmal gegen die nationale und kantonale Politik wehren. Nur mit einer linken Mehrheit in der Regierung ist das möglich. Wir brauchen einen Stadtrat, der sich konsequent gegen den Autobahnausbau in St.Gallen ausspricht. Auch eine City Card (Urban Citizenship), wie sie in Bern gerade ausgearbeitet wird, hätte man aus meiner Sicht schon längst einführen müssen. Diese bietet der Stadt die Möglichkeit, sich der nationalen Ausschaffungspolitik zu entziehen und ein sicherer Hafen für Geflüchtete zu werden. Ich will eine klimagerechte, feministische Stadt St.Gallen, die allen Menschen, die hierherkommen, ein schönes Leben ermöglicht. Dazu gehören auch Forderungen nach einem kostenlosen öffentlichen Verkehr oder gratis Angeboten wie Kantinen, Kindertagesstätten oder Wäschereien für Menschen, die Care-Arbeit verrichten, damit die Last der Care-Arbeit auf alle Schultern verteilt wird. Es gibt viele Themen, bei denen bereits gute, linke Lösungen bereitliegen. Eine linke Mehrheit bringt uns den Mut, diese anzupacken.
Gratis ÖV, gratis Kantinen, gratis Kindertagesstätten: So ein Sozialausbau kostet viel Geld. Wie soll die Stadt diese Kosten decken?
In Budget-Debatten wird gerne darüber gesprochen, dass für solche Ideen kein Geld vorhanden ist. Hier muss man einmal mehr betonen, dass Finanzierung in der Politik immer eine Frage der Priorisierung ist. Wie müssen uns fragen: Wie wollen wir das Budget verteilen? Der Juso ist diesbezüglich in erster Linie wichtig, dass das Geld dort hinfliesst, wo die Leute tiefe Einkommen haben und von diskriminierenden Strukturen betroffen sind. Wir müssen aber auch Steuerfragen diskutieren, denn hier liegt der wichtigste Hebel für eine sozialistische Zukunft. Wir wollen einen stark ausgebauten Service public. Um diesen zu finanzieren, ist eine Steuerrevolution notwendig. Das heisst: Leute, die viel mehr haben als andere, sollen auch den grössten Anteil bezahlen.
Die Juso St.Gallen hatte bei Stadtratswahlen in der Vergangenheit wenig Erfolg. Hinzu kommt, dass Sie verglichen mit den restlichen Kandidatinnen und Kandidaten mit Abstand das kleinste Wahlkampf-Budget haben. Wie schätzen Sie ihre Chancen für die kommenden Wahlen ein?
Ich glaube, die Ausgangslage ist nicht schlecht. Die letzten Wahlgänge haben gezeigt, dass die Stadt St.Gallen links tickt. Wir sind überzeugt davon, dass unsere Ideen und Forderungen überzeugen, wenn wir eine Plattform erhalten, um diese mit einer breiten Öffentlichkeit zu diskutieren. Das hat sich beispielsweise bei der 99 Prozent Initiative gezeigt. Wenn wir die Möglichkeit erhalten, den Leuten zu erklären, was unsere Vision ist, erkennen die Leute, dass viel dahintersteckt. Wir glauben, dass im September viele aus Überzeugung das Kreuz bei den linken Parteien setzen. Wir sind auf jeden Fall gespannt auf das Ergebnis. Der Kampf für das schöne Leben für alle endet bestimmt nicht am 22. September.
⋌Interview von Selim Jung
Lade Fotos..