Julia Buchmann
ist am Schweizer Filmpreis 2025 als beste Schauspielerin nominiert.
Vor gut 50 Jahren starb Hans Hausamann 77-jährig in Orselina bei einem Erholungsaufenthalt. Im Zweiten Weltkrieg hatte er das legendäre Nachrichtenbüro Büro H in Teufen und ein Fotofachgeschäft in St.Gallen und Zürich geführt, 1954 die Internationalen Pferdesporttage in St.Gallen begründet.
Nachrichtendienst Geboren wurde Ernst Johann (genannt Hans) Hausamann 1897 in Appenzell, wo sein Vater ein Fotoatelier betrieb. 1901 übersiedelte die Familie nach Heiden. Der Vater entwickelte neue technische Verfahren und machte sich einen Namen als Landschaftsund Industriefotograf. 1924 nahm Hausamann Wohnsitz in der Ebni in Teufen, wo er bis zu seinem Tod blieb. 1925 eröffnete er in St.Gallen im Haus zum Spinnrad an der Marktgasse 13 das Fotohandelsunternehmen Hausamann & Co. sowie Filialen in Heerbrugg und Bern, welche später zugunsten einer Filiale in Zürich aufgegeben wurden. Das Unternehmen gehörte mit einem grossen Sortiment und einem Versandhandel mit zweimonatlichen Bulletins und einem umfassenden Versandkatalog europaweit zu den Foto-Pioniergeschäften.
Der Einsatz Major Hausamanns für Armee und Landesverteidigung geht bereits auf die Zwanzigerjahre zurück, als Antimilitarismus und Defaitismus weit verbreitet waren. Die Schweizer Zeitungen wurden von ihm über seinen Pressedienst mit Artikeln beliefert, die den Widerstand stärken sollten. Er war früh der Überzeugung, dass es zu einem Krieg kommen musste, ein Krieg, den das Deutsche Reich nicht mehr feierlich erklären wird, sondern das ihn überfallartig vom Zaune brechen wird. In einer Broschüre, die er zwei Jahre vor Kriegsbeginn allen Zeitungen und Offizieren verschickte, machte er auf die bittere Notwendigkeit der Aufrüstung aufmerksam. Allmählich machte Hausamann seinen Pressedienst auch der Nachrichtenbeschaffung dienstbar und so kam es in der Zwischenkriegszeit zum legendären Büro H. Im Einvernehmen mit Oberstleutnant Masson wurde es als halbprivate Einrichtung mit einem weitreichenden Verbindungsnetz ausgebaut und der Eidgenossenschaft dienstbar gemacht. Nicht zuletzt aufgrund der Aufklärungsarbeit von Hausamann entschloss sich die Sozialdemokratische Partei unter ihrem weitblickenden Präsidenten Hans Oprecht, die Landesverteidigung zu bejahen. Er ersuchte in der Folge Hausamann als ihr militärisch politischer Experte zu wirken. Auf Drängen von Bundesrat Minger sagte Hausamann zu. Immer häufiger wurden seine Meldungen über Bestrebungen im Deutschen Reich, zu Vorgängen in England, in Frankreich und der Sowjetunion. Er nahm auch immer öfters umfassende Lagebeurteilungen für die Landesregierung vor.
In der Schweiz machte sich die Bereitschaft zur Anpassung bemerkbar, was Hausamann in hohem Masse beschäftigte. Ein paar Offiziere, die nicht bereit waren, kampflos abzudanken, schlossen sich zusammen und erklärten gegenseitig, bedingungslosen Widerstand gegen jeden Angreifer zu leisten. Aktiv beteiligt war dabei natürlich auch der Leiter des Büro H. Rasch erschien bei ihm der Grossrichter der achten Division und konstatierte eine «Verschwörung ». Es wurden in einem disziplinarischen Verfahren Arreststrafen verhängt, für Hausamann vier Tage, die er in der Kaserne Thun absass. Er nutzte die Zeit für die Abfassung der Schrift «Die Stellung des schweizerischen Generals im Zeitalter des totalen Krieges». Immer wieder pochte er darauf, dass nur ein starker Widerstand für die Schweiz eine Rettung sein kann, so im März 1942: «Wir können die Probleme drehen, wie wir wollen, das Schlussergebnis ist immer das gleiche. Uns kann vor der Verwicklung in den Krieg nur bewahren, wenn wir unnachgiebig und – kriegsgewillt sind.»
Zahlreich sind die Meldungen des Büro H. zur Kriegssituation, namentlich zu den Absichten Hitlers, von denen es über Mittelsleute im deutschen Reich erfuhr. So meldete er beispielsweise am 18. März 1940: «Deutsche Spionagezentren werden von den Niederlanden in die Schweiz verlegt. Die Nachricht ist beruhigend, denn man richtet Spionagebüros nicht in einem Raum ein, den man rasch hinterher angreifen will.» Am 28. Juli meldete das Büro H. zum Angriffsplan «Tannenbaum »: «Nach Ansicht des Amts für Auslanddeutschtum der NSDAP mit Sitz in Stuttgart eilt der Überfall in die Schweiz nicht. Die Pläne für die Besetzung sind vollständig ausgearbeitet, einen Befehl Hitlers zum Überfall gibt es aber nicht.» Spätere Meldungen betrafen beispielsweise die vorgesehene Aufteilung der Schweiz nach einer Eroberung. Am 16. April 1942 schrieb Hausamann zur kriegerischen Lage: «Für die deutsche Reichsführung ist die Lage ausweglos. Sie kann nicht anders, als sich zu Tode siegen.» Am 29. März 1941 schrieb das Büro H an die Armeeführung: «Die deutsche Reichsleitung ist entschlossen, die Ukraine in Besitz zu nehmen und sich den Zugang zu den russischen Ölquellen zu erzwingen.» Umfassend sind Hausamanns Betrachtungen zum Russlandfeldzug, immer die letztliche Überlegenheit der Russen voraussagend. Nach Ende des Krieges bedankte sich Bundesrat Karl Kobelt bei Hausamann mit den Worten: «Mit grossem Interesse habe ich Ihre Meldungen verfolgt und Ihre Unermüdlichkeit bewundert. Ich hoffe gerne, dass sie sich nunmehr wieder für die Erhaltung unserer Wehrkraft mit der gleichen Unermüdlichkeit einsetzen werden.» Im Herbst 1945 war Hausamann für die Schweizer Armee noch als Verbindungsmann zu den französischen Truppen in Vorarlberg.
Nicht sehr positiv schilderte Erwin Bucher Hans Hausamann in seinem Buch «Zwischen Bundesrat und General – Schweizer Politik und Armee im Zweiten Weltkrieg», wobei er seine heftige Kritik an Bundesrat Pilet-Gola zu grossen Teilen trotz dessen defaitistischer Radiorede von 1940 kurz vor der Kapitulation Frankreichs und des Empfangs einer deutschfreundlichen Gruppe als unangebracht bezeichnet. Ein Gesamturteil über Hausamann ist alles andere als schmeichelhaft ausgefallen: «Dieser rastlos tätige Mann hat eine grosse Fülle von Briefen, Meldungen und andere Schriftstücke hinterlassen. Man erkennt dabei Hausamanns ausserordentliche Begabung in der Verkündung seines Eigenruhms, aber auch sein pathologisch gestörtes Verhältnis zur Wahrheit und einen Drang, unter der Angabe, dem Allgemeingut zu dienen, andere Menschen zu erniedrigen. » Es sei ersichtlich, fährt Bucher fort, dass sowohl die Zeitgenossen als auch die Geschichtsschreibung falsche Meldungen Hausamanns über Pilet unkritisch Glauben geschenkt hätten. Dazu gehörten zum Beispiel die Behauptungen, dass Pilet nach dem Zusammenbruch Frankreichs die schweizerische Neutralität habe aufgeben wollen, dass er eine «Wallfahrt» nach Deutschland geplant habe, dass Pilet einen Separatfrieden zwischen Deutschland und den westlichen Alliierten angestrebt haben soll und dass Minger wegen politischer Differenzen mit Pilet zurückgetreten sei. Bucher nennt Hausamann sogar «Seele und Motor der gegen Pilet gerichteten Propaganda». Seine Lagebeurteilungen bezeichnet Bucher häufig als falsch. Er habe oft die Gefahren übertrieben, die der Schweiz drohten.
Nüchtern betrachtet ist Hausamanns Bekämpfung Pilets mit Unterschiebungen effektiv übertrieben ausgefallen. Das dürfte aber auch darauf zurückzuführen sein, dass Hausamann jegliches Antasten der schweizerischen Wehrbereitschaft als gefährlich einstufte. Viele seiner Nachrichten können als zutreffend bezeichnet werden und waren, wie das Bundesrat Karl Kobelt zum Ausdruck brachte, für die Landesregierung hilfreich bei der Einschätzung der Lage. Wie Otto Pünter in seinem Buch «Der Anschluss fand nicht statt» schrieb, habe Hausamann beispielsweise am 23. Juni 1940 «geradezu prophetische Weitsicht » bewiesen, als er unter anderem die kriegerische Hinwendung des deutschen Reichs zum Osten vorausgesagt habe. Wie weit Pilet mit seinem Bemühen um ein friedliches Arrangement mit den Faschisten Angriffe abwehren konnte, dürfte weiterhin unterschiedlich beurteilt werden.
Nach der Auflösung des Büro H. engagierte sich Hausamann erneut in der Geschäftsführung seines Unternehmens. An der Hochschule St.Gallen (heute Universität) hielt er militärgeschichtliche Vorlesungen zum Zweiten Weltkrieg. Die Hochschule verlieh ihm 1973 den Ehrendoktor der Staatswissenschaften. 1954 begründete er mit Schaffung einer Genossenschaft die Internationalen Pferdesporttage in St.Gallen, die die Kantonshauptstadt weit herum bekannt machten und die er bis 1965 leitete. Er war es auch, der in den folgenden Jahren der Veranstaltung den Stempel aufdrückte und für hohe Qualität sorgte. Schon die ersten Pferdesporttage 1954 fanden im Inund Ausland ein grosses Echo und waren Propaganda für St.Gallen. Hans Hausamann starb 1974 während eines Erholungsaufenthaltes in Orselina.
Für die Publikation wurden unter anderem die Werke von Alfons Matt «Zwischen allen Fronten – Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht des Büros H», Otto Pünters «Der Anschluss fand nicht statt», Werner Rings «Schweiz im Krieg» und Erwin Buchers «Zwischen Bundesrat und General».
Von Franz Welte
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