Benno Högger
Die Berufsfeuerwehr St.Gallen testet zurzeit den Bio-Treibstoff HVO.
Im Interview erzählt Judith Eisenring, Leiterin der Geschäftsstelle der Regionalstelle der Dargebotenen Hand Ostschweiz und Fürstentum Liechtenstein, welche Unterstützung das Telefon 143 bereitstellt, welche Bedeutung Aufklärung hat und welche Unterschiede zwischen Suizidgedanken und Suizidabsicht bestehen.
Judith Eisenring, welche Aufgabe übernimmt die Dargebotene Hand?
Die Dargebotene Hand ist schon mehr als 65 Jahre in der Ostschweiz und dem Fürstentum Liechtenstein aktiv. Dank unseren gut ausgebildeten freiwilligen Mitarbeitenden ist Tel 143 rund um die Uhr für Menschen in Krisensituationen da. Auch bei Alltagsproblemen finden Ratsuchende ein unterstützendes Gespräch. Tel 143 bietet als anerkannte Notrufnummer allen Hilfesuchenden völlige Anonymität und Vertraulichkeit. Empathisches Zuhören ist unsere Fachkompetenz. Rund 20'000 Menschen kontaktierten uns im vergangenen Jahr – am Telefon, per Mail oder im Chat.
Wie ist die Art der Unterstützung, die Tel 143 für Menschen mit Suizidgedanken bereitstellt?
Unsere gut ausgebildeten freiwilligen Mitarbeitenden sind rund um die Uhr verfügbar. Wir bieten eine sichere und vertrauliche Umgebung, in der die Anrufer ohne Anmeldung und anonym über ihre Gefühle sprechen können. Wir hören zu, bieten emotionale Unterstützung und ermutigen die Menschen dazu, über ihre Probleme zu sprechen. In vielen Fällen können wir gemeinsam Lösungen und Strategien entwickeln, um die Krise zu bewältigen.
Welche Ressourcen und Ansätze verwenden Sie, um Menschen in Suizidkrisen zu helfen?
Wir verwenden einen respektvollen und nicht-wertenden Ansatz, um Vertrauen aufzubauen. Im beziehungsorientierten Gespräch gehen wir auf die individuellen Möglichkeiten der Anrufenden ein und begleiten sie dabei, eine ressourcenorientierte Lösung zu finden.
Warum denken Menschen über Suizid nach?
Einerseits wegen psychischen oder körperlichen Leiden, die als einschränkend erlebt werden, andererseits wegen unverhofften, schweren Lebensereignissen.
Welche Warnsignale deuten auf Suizidgedanken hin?
Eine plötzliche und dramatische Veränderung im Verhalten oder in der Stimmung einer Person sowie Schlafstörungen, exzessives Essen oder Verlust des Appetits können auf ernsthafte emotionale Probleme hinweisen. Ausserdem kann sozialer Rückzug ein Anzeichen sein. Nicht zuletzt sind ein gesteigertes Risikoverhalten, eine verstärkte Beschäftigung mit dem Tod sowie Äusserungen von Suizidgedanken Warnsignale.
Wie kann man Menschen helfen, die Selbstmordgedanken haben?
Offen danach fragen, ob die Person daran denkt, allenfalls auch wie sie es tun würde. Wichtig ist dann auch sich selbst Unterstützung zu holen, was ebenfalls bei Tel 143 möglich ist.
Welche Unterschiede gibt es zwischen Suizidgedanken und Suizidabsichten?
Gedanken sind viel häufiger und teilweise in der entsprechenden Krisensituation auch normal, sie eröffnen in einer vermeintlich aussichtslosen Situation einen Handlungsspielraum. Wenn es daraus zu einer Umsetzung, sprich zu einem Suizidversuch kommt, dann ist das als Alarm zu werten und entsprechend muss professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.
Welche Rolle spielt die Aufklärung über Suizid und die Reduzierung des Stigmas in Ihrer Arbeit?
Eine grosse Aufgabe, denn das Tabu, das um das Thema gemacht wird, hilft den betroffenen Menschen und auch Angehörigen nicht weiter. Auch hier sind wir davon überzeugt: Darüber reden hilft!
Was sagen Sie Menschen, die möglicherweise mit Suizidgedanken zu kämpfen haben?
Hilfe suchen, sich anvertrauen und versuchen, über die Belastung zu reden.
Welche Rolle spielen Medien?
In den offiziellen Medien wird nicht über Suizidereignisse berichtet (wegen Werther-Effekt), es gibt dazu auch einen Kodex. Die sozialen Medien können sehr hilfreich sein, beispielsweise wenn sich bei uns Menschen via Chat melden, die nicht sprechen wollen, aber ihre Not schriftlich ausdrücken. Gleichzeitig bieten die sozialen Medien leider auch einen unkontrollierten Raum, in dem Informationen ausgetauscht werden, die der Suizidprävention widersprechen.
Was kann man tun, um Suizidgedanken vorzubeugen?
Soziale Kontakte pflegen, sich bewegen, wenn möglich auch ausser Haus. Das Grüne der Natur wirkt gemäss Aussagen von Fachleuten beruhigend und die Bewegung klärend für die Psyche.
Welche Unterstützung gibt es für Hinterbliebene?
Tel 143. Wir empfehlen nebst professioneller Hilfe, sich auch einer Selbsthilfegruppe anzuschliessen.
Interview Benjamin Schmid
Lade Fotos..