Gabriela Eberhard
hat eine Interpellation zur Beflaggung der Stadt zur Pride 2025 eingereicht.
Vor 226 Jahren wurde nicht nur das Ende der Fürstabtei, sondern auch das Ende des Klosters eingeläutet. 1798 erfolgte die Einfügung des Fürstenlandes in den Kanton Säntis als Teil des neuen helvetischen Einheitsstaates und die Beschlagnahmung der Klostergüter, wobei die wertvollsten längst ins Ausland gebracht worden waren.
Klostergeschichte Die helvetischen Räte beschlossen 1798 das klösterliche Vermögen zu beschlagnahmen, da sich Abt Pankraz Vorster (1753 bis 1829) nicht mehr in St.Gallen aufhielt. Er begab sich in die Innerschweiz und an den kaiserlichen Hof nach Wien, um dort politischen Sukkurs zu erhalten. Diese Hoffnung erwies sich als trügerisch. Es fehlte ihm, dies einzusehen. In Wien erliess er eine Proklamation zur Wahrung der St.Galler Hoheitsrechte und Güter gegenüber der Helvetischen Republik, betonte dabei die staatsrechtliche Doppelstellung der Abtei zwischen Eidgenossenschaft und Reich, ein Aspekt, der auch später immer wieder seine Vorstellungen prägte. 1799 konnte er nach militärischen Erfolgen Österreichs, nur anderthalb Jahre nach seiner Abreise wieder als Abt in St.Gallen einreisen. Mit aller Kraft bemühte er sich, die alten politischen Rechte des Klosters zu retten. Doch schon nach wenigen Monaten, nach erneutem Vorrücken französischer Truppen, sah er sich erneut veranlasst, nach Mehrerau zu flüchten. Der Abt ist in der Folge nie mehr nach St.Gallen zurückgekehrt, kämpfte aber bis zu seinem Ableben für die Wiederherstellung der alten Ordnung. Abt Pankraz Vorster wird von Historikern wegen seiner sturen Haltung auch als Totengräber des Klosters bezeichnet. Sein starrsinniges und zu ungeschicktes Verhalten machten ihn tatsächlich zum Verlierer. Nicht zu vergessen ist aber, dass Pankraz einen mächtigen Gegenspieler hatte in Landammann Karl Müller-Friedberg (1755 bis 1863), dessen grösstes Anliegen die Sicherung seiner Karriere im neuen Kanton St.Gallen war. Für ihn hatten weder der fürstäbtische Staat noch das Kloster und schon gar nicht Pankraz Vorster Platz im neu entstandenen Staatswesen. Mit der Unterstützung Frankreichs, das die bestimmende Macht war in der Schweiz, war es ihm möglich, mit einer in den Methoden wenig wählerischen Politik Klosterstaat und Kloster auszuschalten. Es ist fraglich, ob es ihm nicht auch gelungen wäre, wenn er als Gegenspieler einen geschickteren, zu Kompromissen bereiten Abt gehabt hätte.
Es ist unbestritten, dass Pankraz sein Amt in der Spitze der Fürstabtei ab 1796 zunächst gar nicht erfolglos führte. Er wusste genau, ein schwieriges Amt angetreten zu haben und schrieb am Anfang seines Tagebuches: «Es traf mich das Unglück, zum Abt des so zerrütteten Gotteshauses St.Gallen erwählt zu werden. Der Himmel wolle mir beistehen und die Bürde erträglicher machen.» Er unternahm energische Schritte zur Sanierung der Klosterfinanzen und zur Bekämpfung der Revolution im Land. Doch es fehlte ihm für eine langfristige Politik die Zeit. Die Revolution entwickelte eine nicht mehr zu bremsende Eigendynamik, weshalb Pankraz schon 1797 erstmals das Kloster verliess. Er wollte nicht unter Erpressung klösterliche Rechte abgeben.
In St.Gallen wurde 1798 eine «Provisorische Regierung der Stadt St.Gallen» eingesetzt und diese erhielt den Auftrag, eine Inventur der Liegenschaften und Kapitalien des Klosters durchzuführen. Sie lehnte aber vorsichtig ab, weil sich das Inventarisieren für die Katholiken besser schicke als für Reformierte. Williger erwies sich der helvetische Kommissär Johann Jakob Erlacher, der seine Aufgabe «mit roher Beflissenheit» anpackte, das Wertvollste aber kaum mehr vorfand. Fürstabt Pankraz hatte schon im Vorjahr die Wegschaffung des Kirchenschatzes und der Urkunden des Stiftsarchivs sowie der wichtigsten Handschriften der Bibliothek angeordnet. Ein helvetisches Gesetz erklärte die Vermögen und Güter der Klöster zu Nationaleigentum und diejenigen Männerklöster, die während der Revolution von ihren Mitgliedern verlassen worden waren. Zum Teil wird in diesem Gesetz die Aufhebung des Stifts St.Gallen gesehen.
Pankraz verlangte nach dem Einmarsch der Franzosen in St.Gallen von Neu-Ravensburg aus, die Fürstabtei aus der Schweiz herauszulösen und wieder ans Heilige Römische Reich einzugliedern. Aus dem Exil im Machtbereich Österreichs wirkte er weiterhin für die Wiederherstellung des Klosters. Kompromisslos lehnte er alle Angebote einer Wiederherstellung des Klosters ohne Souveränitätsrechte ab. 1803 schickte er einen Abgesandten an die Helvetische Consulta in Paris, um von Napoleon selbst die Wiederherstellung des Klosters zu verlangen. Doch Karl Müller-Friedberg konnte dies verhindern, indem er darlegte, dass die Forderung die Existenz des Kantons St.Gallen gefährden könnte. So beschloss der Grosse Rat 1805 auch formell die Liquidation des Klosters. Als Napoleons Herrschaft 1813 beziehungsweise 1815 unterging und sich im Kanton St.Gallen Zerfallserscheinungen zeigten, schöpfte Pankraz erneut Hoffnung auf die Erneuerung seines Stifts. Er erlangte aber von keiner Seite wirksame Unterstützung, auch nicht vom Wiener Kongress. Er setzte sich auch beim Papst nochmals erfolglos für sein Anliegen ein. 1823 schuf Papst Pius VII mit der Bulle «Ecclesias, quae antiquitate» die Voraussetzungen für die Errichtung des Doppelbistums Chur-St.Gallen. Obwohl darin die Aufhebung des Klosters nicht erwähnt wird, bedeutet sie die stillschweigende Hinnahme der 1805 erfolgten Säkularisierung der Abtei seitens Roms. Damit endete die Geschichte der 1100 Jahre alten Abtei. So gab Pankraz seinen Kampf auf. 1819 zog er sich verbittert ins Kloster Muri zurück, wo er 1829 starb. Formell blieb er aber bis zu seinem Tod Abt von St.Gallen, da das Kloster aus der Sicht der katholischen Kirche erst 1845 aufgehoben wurde. 1923 wurde sein Leichnam in die Kathedrale St.Gallen überführt.
Von Franz Welte
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