Ursula Forrer
feierte mit der Stiftung Zeitvorsorge das 10-Jahres-Jubiläum.
Von links: Regine Rust, Geschäftsleiterin Stiftung Suchthilfe, Chris Boppart, Gast und Mitarbeiter der Gassenküche und Mithat Foster, Betriebsleiter der Gassenküche.
In der rein durch Spenden finanzierten Gassenküche können jene, die am Rande der Gesellschaft leben, auf Hilfe zählen. Nach einem frappanten Anstieg der Besucherinnen und Besucher im Frühjahr stösst sie an ihre Grenzen – räumlich und finanziell.
Treffpunkt Schicksalsschläge und psychische Probleme zwingen die Besucherinnen und Besucher der Gassenküche in eine Existenz in Armut und Einsamkeit, weiss Regine Rust, Leiterin der Stiftung Suchthilfe, die die Gassenküche betreibt. «Haben wir vor wenigen Jahren 35 bis 40 Essen ausgegeben, gehen aktuell über 60 Menüs über den Tresen», informierte sie an der jährlichen Medienorientierung. Höhere Miet-, Lebensmittel- und Gesundheitskosten brächten selbst Normalverdienende und Familien an ihre Grenzen. «Noch schwerer wiegen die Kosten der Teuerung, wenn man eh wenig hat», erklärt Rust.
Machten früher vor allem Menschen mit Substanzmissbrauch vom Angebot Gebrauch, kommen heutzutage immer mehr armutsbetroffene Menschen vorbei, weiss Mithat Foster, Betriebsleiter der Gassenküche. Den plötzlichen Anstieg der Besucherzahlen dieses Frühjahrs habe verschiedene Ursachen: «Einerseits haben die Belastungen für junge Menschen zugenommen, was die Wahrscheinlichkeit von Substanzmissbrauch und folglich finanzielle Schwierigkeiten erhöht, andererseits belasten die steigenden Kosten Personen mit kleinem Einkommen überproportional.» Über 30 Jahre intensive Pflege und Zusammenarbeit mit verschiedenen Ämtern und Organisationen hätten dazu geführt, dass man mit den unterstützenden Angeboten nahe an den Personen sei und ihnen echte Alternativen anbieten könne. «Aktuell funktioniert unser System», offenbart Rust, «aber es ist für eine beschränkte Anzahl Betroffener ausgelegt.» Bereits heute gebe es Tage, an denen die Gassenküche aus allen Nähten platze.
Seit 2001 wird die Gassenküche an der Linsebühlstrasse 82 betrieben. Seither wurde die Einrichtung kaum ersetzt – entsprechend seien sie in die Jahre gekommen. «Eine Modernisierung der Infrastruktur ist nicht nur wünschenswert, sondern nötig», sagt Rust. Weil die Ausstattung am Ende ihres Lebenszyklus angekommen sei, fressen die Geräte und die Lüftung viel Strom – ein nicht zu vernachlässigender Kostenpunkt bei den steigenden Energiekosten. Auch wenn es erfreulich sei, dass das Angebot nicht nur genutzt, sondern auch geschätzt werde, führe der aktuelle Besucherandrang dazu, dass sie sich im Team ernsthafte Gedanken machen müssten, wie sie mit den immer knapper werdenden Platzverhältnissen umgehen sollen. «Neue Räume zu finden, ist ein langwieriger und mühsamer Prozess», sagt Rust, «und wie nötige Investitionen in die Infrastruktur nicht zuletzt von den Spenden abhängig.»
Dass die 1987 gegründete Gassenküche auch heute noch rein spendenfinanziert wirtschaftet, zeuge von der grossen Solidarität, die sie aus der Bevölkerung erfahre. «Vier Fünftel der Spenden kommen von Einzelpersonen», sagt Rust, «der Rest stammt von Firmen und Stiftungen.» Diese Akzeptanz sei wichtig und signalisiere den Menschen vor Ort, dass sie nicht vergessen und von der Gesellschaft getragen werden. Oft genug werden sie mit Vorbehalten und Zurückweisung konfrontiert, weiss Chris Boppart, der regelmässiger Gast in der Gassenküche ist, nachdem er in eine Notsituation geraten ist. «Die Gassenküche bietet nicht nur warme Mahlzeiten für drei Franken, sondern auch Hoffnung und Unterstützung für diejenigen, die es am meisten benötigen.» Er selbst geriet aufgrund seiner schwierigen Kindheit in eine schwere Heroinabhängigkeit. Dank der Unterstützung des Teams der Gassenküche fand er Halt und einen Weg aus dem Substanzmissbrauch. Hier fühlt er sich akzeptiert und respektiert. Ausserdem haben sie ihm ein Jobangebot unterbreitet: «Das Putzen der Küche gibt mir eine willkommene Tagesstruktur und ich kann damit einen Beitrag zum Betrieb der Gassenküche leisten», erklärt Boppart.
Die Gassenküche ist stolz auf ihre pragmatische und lösungsorientierte Herangehensweise. Sie erkennt die Bedürfnisse derjenigen, die sie bedient, und entwickelt Programme, um das Leben dieser Menschen nachhaltig zu verbessern. Das zeigt die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Einrichtung. «Dennoch wäre die Gassenküche St.Gallen ohne die Grosszügigkeit und Solidarität der Gemeinschaft undenkbar», sagt Rust und Foster ergänzt: «Die Spenden, sei es in Form von Geld, Lebensmitteln oder Freiwilligenarbeit sind der Motor, der die Gassenküche am Laufen hält». In einer Zeit, in der die Welt von Spaltung und Konflikten geprägt ist, sei die Gassenküche ein Beispiel für die Kraft der Gemeinschaft und die Bedeutung von Solidarität. «Sie ist ein Ort, wo warme Mahlzeiten für drei Franken nicht nur den Magen, sondern auch die Seele wärmen können», resümiert Rust.
Von Benjamin Schmid
Lade Fotos..