Walter Micone
möchte dem Quartier Tschudiwies-Centrum frischen Wind einhauchen.
Die Schülerinnen der meitleflade haben monatelang geprobt - nun fiebern sie der Premiere ihres Theaterstücks entgegen.
Die Schultheatertage Ostschweiz bieten Jugendlichen die Chance, eigene Theaterstücke zu entwickeln und auf einer Bühne zu präsentieren. In diesem Jahr nimmt wieder eine Klasse der «meitleflade» aus St.Gallen teil. Die Schülerinnen haben monatelang geprobt, gelacht und ihre Komfortzone verlassen – und berichten von einer Erfahrung, die sie nicht so schnell vergessen werden.
Theater Ein leeres Blatt, eine einzige Vorgabe: das Thema «bitter-süss». Wie macht man daraus ein Theaterstück? Matilde (15) aus St.Gallen erinnert sich an den ersten Schritt: «Wir haben ein Brainstorming gemacht. Was ist süss? Was ist bitter? Schokolade, Liebe, Trennungen, Kindheitserinnerungen – wir hatten plötzlich eine riesige Liste.» Doch ein Theaterstück braucht einen Rahmen. Lehrerin Christina Alvarez erzählt: «Wir wollten eine Geschichte, die viele verschiedene Aspekte von ‘bitter-süss’ zeigt. Dann kam uns die Idee mit dem Mehrfamilienhaus – ein Ort, an dem Menschen unterschiedlichster Art aufeinandertreffen.» Amina (15) aus St.Gallen erklärt, wie sie die Hausbewohnerinnen und -bewohner entwickelten: «Wir haben uns in Gruppen zusammengesetzt und überlegt: Welche Charaktere könnten in diesem Haus leben? Welche Probleme haben sie? Welche schönen oder traurigen Momente prägen sie?» Jede Gruppe erfand eine Figur mit einer eigenen Geschichte. Mal waren es humorvolle Szenen, mal ernste. So entstand eine bunte Mischung: Ein Kampfsportler, eine Influencerin, eine Wohngemeinschaft mit einem Papagei, ein streitendes Ehepaar, ein Gärtner. «Ich spiele gleich mehrere Rollen», erzählt Matilde. «Jede Figur ist anders, und man muss sich immer wieder neu darauf einlassen. Das ist herausfordernd, aber auch megaspannend.»
Eine weitere Vorgabe war, dass bis zu fünf Leitern als Requisiten genutzt werden mussten – aber nicht einfach als das, was sie sind. Amina lacht: «Also haben wir die Leitern zweckentfremdet – als Rasenmäher, als Sitzplatz für einen Papageien oder als überdimensionalen Koffer.» Die Umsetzung jeder Szene war ein langer Prozess. Lily (15) aus dem Thurgau erklärt: «Wir haben jede Woche neue Szenen erarbeitet. Es war so viel mehr als nur auswendig lernen – wir haben ausprobiert, verändert, verworfen und neu gemacht.» Lehrerin Alvarez war beeindruckt, wie die Klasse dabei zusammengearbeitet hat: «Jede Idee wurde ernst genommen. Es gab keine Eifersucht oder Streit darüber, welche Idee die beste war – es wurde immer im Team entschieden, was funktioniert.» Bis zu den Frühlingsferien hatten die Schülerinnen 18 Theaterlektionen hinter sich. Mirjam (14) aus Abtwil erzählt: «Am Anfang konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie das alles mal zusammenpassen soll. Aber mit jeder Probe wurde es klarer.»
Theaterproben sind harte Arbeit – aber nicht ohne Spass. Lily gibt zu: «Unsere grösste Herausforderung ist, ernst zu bleiben! Besonders in der religiösen Szene – sobald wir anfangen, brechen alle in Gelächter aus.» Auch Amina findet: «Es gibt so viele lustige Momente. Manchmal bringt eine von uns eine spontane Idee ein, und plötzlich ist die Szene doppelt so lustig.» Aber nicht alles war leicht. Mirjam erzählt: «Ich hatte anfangs Angst, laut genug zu sprechen. Auf der Bühne muss man ja so reden, dass es auch in der letzten Reihe ankommt.» Genau hier sieht Lehrerin Alvarez den grössten Lerneffekt: «Die Schülerinnen mussten sich überwinden, laut zu sprechen, sich zu bewegen, in andere Rollen zu schlüpfen. Es war toll, zu sehen, wie sie gewachsen sind.»
Dass die Klasse überhaupt an den Schultheatertagen teilnimmt, war keine Selbstverständlichkeit. Lehrerin Alvarez erinnert sich: «Im letzten Jahr durften wir als Zuschauerinnen eine Hauptprobe besuchen. Da dachte ich mir: Warum nicht selbst mitmachen?» Doch die Reaktion ihrer Schülerinnen war zunächst verhalten. «Als ich das erste Mal gefragt habe, waren alle unsicher», erzählt sie. «Nach den Sommerferien habe ich jede Einzelne nochmals direkt angesprochen – und weil niemand ein klares Nein geäussert hat, habe ich uns einfach angemeldet.» Heute ist die Begeisterung gross. Amina sagt: «Wir haben in der Klasse so einen Zusammenhalt entwickelt. Jede hilft jeder.» Lily ergänzt: «Man muss sich echt trauen, auf die Bühne zu gehen – aber jetzt, wo wir kurz vor der Aufführung stehen, bin ich richtig stolz.» Mirjam fasst es so zusammen: «Ich hätte nie gedacht, dass es so viel Spass macht, in ganz andere Rollen zu schlüpfen. Und vor allem, dass wir als Team so gut funktionieren.» Die Aufführung steht kurz bevor – und egal, wie es läuft, eines ist sicher: Diese Erfahrung werden die Schülerinnen nicht vergessen. «Daran werden wir uns noch Jahrzehnte
erinnern», sagt Lehrerin Alvarez mit einem Lächeln.
Von Benjamin Schmid
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