Ruth Inauen
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Um die politische Bildung von Kindern und Jugendlichen zu fördern, startet die Fachstelle Demokratiebildung und Menschenrechte der Pädagogischen Hochschule St.Gallen diesen Sommer das Projekt «Demokratiebus». Mit dem Projekt soll langfristig die politische Partizipation in der Ostschweiz gestärkt werden.
Bildung Das politische Interesse bei Jugendlichen stagniert. Laut dem «Jugend und Politik Monitoring 2023» – einer jährlich erhobenen Umfrage des Dachverbands Schweizer Jugendparlament – schätzen Jugendliche in der Schweiz ihr politisches Engagement und Interesse so tief ein wie zuletzt 2017. Zwar sagen etwa 50 Prozent der Befragten, dass sie sich für Schweizer Politik interessieren, was ein ähnlicher Wert wie in den Jahren davor ist, der Trend der letzten Jahre hin zu mehr politischer Partizipation konnte aber nicht bestätigt werden. Die Umfrage zeigt ausserdem, dass sich die Jugendlichen durch die in den Schulen vermittelten Inhalte weniger gut auf das Abstimmen und Wählen vorbereitet fühlen als auch schon. Die Schülerinnen und Schüler stellen den Schulen also eher ein schlechtes Zeugnis für die Erfüllung des Lehrauftrags in der politischen Bildung aus.
Dass es in der politischen Bildung von Schülerinnen und Schülern neue Impulse braucht, haben auch die Mitarbeitenden der Fachstelle Demokratiebildung und Menschenrechte der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG) erkannt. Mit Unterstützung verschiedener regionaler und nationaler Stiftungen startet die Fachstelle im Sommer 2024 nach fast zweijähriger Vorarbeit mit dem Projekt «Demokratiebus». «Politische Bildung verbinden viele mit Institutionenlehre und Fragen wie: Was ist eine direkte Demokratie oder was ist eine parlamentarische Monarchie? Dies sollte zwar auch weiterhin gelehrt werden, doch wir möchten einen neuen Fokus setzen», sagt Nicolai Kozakiewicz, Projektleiter bei der Fachstelle Demokratiebildung und Menschenrechte. Das Projekt beabsichtigt, bei den Kindern und Jugendlichen das Verständnis und Interesse für Demokratie zu fördern, sie zur Demokratisierung ihrer Lebenswelt zu befähigen sowie demokratisches Handeln als Lernprozess auch für später zu ermöglichen. Um dies zu realisieren, möchte das Projektteam «Demokratiebus» künftig mit einem kleinen Bus in die Schulen gehen und dort gemeinsam mit den Schülern partizipative Projekte umsetzen. «Wir wollen die Hürde für Schulen möglichst klein halten, damit sie auch gewillt sind, mitzumachen. Deshalb wollen wir direkt in die Schulen gehen. Unser Ziel ist es, den Lernenden Partizipation zu ermöglichen und ihnen schon früh aufzuzeigen, dass sie wichtige Stimmen in der Mitgestaltung unserer Gesellschaft sind», so Kozakiewicz.
Diese Partizipation könne unterschiedlich aussehen. Zum einen möchte das Projektteam das sogenannte Service-Learning, bei dem gesellschaftliches Engagement mit der Schulung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen verbunden wird, fördern. So wäre es beispielsweise denkbar, mit einer Klasse in der Gemeinde einen Skaterpark zu realisieren und somit den kommunalen politischen Weg eines solchen Projekts hautnah mitzuerleben. Eine andere Idee ist es, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern an deren Schule einen Schülerrat zu installieren, in dem die Lernenden zum Beispiel über Themen- und Methodenwahl im Unterricht mitentscheiden könnten. «Wir glauben, das sind Lernformen, die eine höhere Lern- und Leistungsbereitschaft hervorrufen als einfacher Frontalunterricht und auf lange Sicht auch politische Partizipation fördern. Es motiviert, wenn man sieht, dass man tatsächlich etwas verändern kann», so Kozakiewicz. Das Projekt «Demokratiebus» ist aus vielerlei Hinsicht ein Partizipations- und Inklusionsprojekt. Es holt die Kinder und Jugendlichen in ihren Lebenswelten ab und ermutigt sie zur aktiven Mitgestaltung des Gemeinwesens. Zudem soll es den Kindern ein neues Verständnis dafür geben, was Politik eigentlich ist und bedeutet. «Viele Kinder verstehen unter Politik langweiliges Gerede, das sich Papa und Mama in der Tagesschau anschauen. Wir müssen den Kindern beibringen, dass zum Beispiel auch die Gestaltung des Klassenzimmers, des Stundenplans oder des Pausenplatzes Politik ist», so Kozakiewicz.
In einer ersten Phase konzentriert sich das Projektteam auf die Ausarbeitung von Unterrichtseinheiten und -materialien – sogenannten Impulseinheiten – für die Sekundarstufe 1. Langfristig soll der Demokratiebus allerdings auch Angebote für tiefere oder höhere Schulstufen bereitstellen. «Wir konzentrieren uns zunächst nur auf eine Schulstufe, damit wir das Projekt schneller voranbringen. In dieser Phase werden wir viel ausprobieren und mit Schulklassen testen. Danach werden wir laufend schauen, inwiefern sich Impulseinheiten und Methoden auf die Primarstufen umwandeln und anwenden lassen», so Kozakiewicz. Das Ziel ist es, eine Dienstleistung zu schaffen, die sich laufend weiterentwickelt. Die studentischen Mitarbeitenden und Dozierenden der PHSG, die den Demokratiebus betreiben werden, sollen laufend reflektieren: Was funktioniert? Was funktioniert nicht? Wo können Dinge optimiert werden oder wo braucht es gar komplett neue Ansätze? Wie der Demokratiebus und seine Inhalte aussehen werden, steht momentan also noch nicht im Detail fest. Ebenfalls noch nicht konkret geregelt ist, in welchem Ausmass Studierende der PHSG ins Projekt involviert sein werden. Das langfristige Ziel ist es, dass die angehenden Lehrpersonen den Demokratiebus ab Ende 2024 mitbetreiben, indem sie ein entsprechendes fest im Studienprogramm der PHSG verankertes Modul besuchen können. Es ist in jedem Fall die Absicht der Projektverantwortlichen, den Demokratiebus über das Jahr 2025 hinaus in der Ostschweizer Bildungslandschaft zu etablieren. «Es ist eminent wichtig, dass wir unsere Demokratie am Leben erhalten. Dazu ist Partizipation notwendig. Doch dass jeder Einzelne etwas verändern kann, lernt man nur durch selbstwirksame Erfahrungen. Mit diesem Projekt versuchen wir, den Schülerinnen und Schülern diese zu ermöglichen», so Kozakiewicz.
Selim Jung
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