Walter Micone
möchte dem Quartier Tschudiwies-Centrum frischen Wind einhauchen.
Die "Schössli"-Girlanden werden zum Hauptbahnhof transportiert.
Mit der Kunstinstallation «Verknüpfung» im Hauptbahnhof St.Gallen wird das Bewusstsein für nachhaltigen Textilkonsum gestärkt. Das Projekt, Teil der Initiative «St.Gallen verknüpft», nutzt recycelte Textilien, um auf die Wertschätzung von Stoffen aufmerksam zu machen.
Mode Die Textilindustrie steht vor grossen Herausforderungen: Überproduktion, Ressourcenverschwendung und problematische Arbeitsbedingungen prägen die globale Modebranche. Gleichzeitig gibt es in der Ostschweiz eine lange textile Tradition, die zeigt, dass Textilien einst mit viel mehr Wertschätzung behandelt wurden. Genau an dieser Schnittstelle setzt die Kunstinstallation «Verknüpfung» an. «Mit der Installation möchten wir die Wahrnehmung von Textilien verändern und ihre Weiterverwendung fördern», erklärt Denise Hofer, Co-Leiterin von OFFCUT St.Gallen und Projektleiterin der Installation. «Dafür nutzen wir St.Galler Spitze, die wir als Materialspende erhalten haben.»
Die Installation integriert traditionelle «Schössli» - textile Elemente, die früher in der Ostschweiz gefertigt wurden, heute aber kaum noch Verwendung finden. Anstatt sie zu entsorgen, werden sie zweckentfremdet und in einen modernen Glaskubus eingeflochten. So entsteht eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen handwerklicher Tradition und einer neuen, nachhaltigen Perspektive auf Textilien. Der gewählte Standort - der Hauptbahnhof St.Gallen - sorgt für hohe Sichtbarkeit. «Wir möchten möglichst viele Menschen erreichen, die im Alltag an der Installation vorbeikommen», so Hofer. Die Herausforderung: Der Aufbau muss in den Nachtstunden erfolgen, um den laufenden Betrieb nicht zu stören. Fachkundige Technikerinnen und Techniker bringen die Installation in luftiger Höhe von bis zu 13 Metern an.
«Verknüpfung» ist Teil des Projekts «St.Gallen verknüpft», das von Rheija Hug geleitet wird. Das begleitende Eventprogramm lädt bis Juni dazu ein, sich aktiv mit nachhaltigem Modekonsum auseinanderzusetzen. «Unser Ziel ist es, Lust auf Veränderung zu machen», sagt Hug. «Wir wollen nicht nur informieren, sondern erlebbar machen, wie nachhaltiger Konsum aussehen kann.» Ein Highlight ist der «Mend in Public Day» am 26. April - ein öffentlicher Flick-Workshop, der mitten in der internationalen Fashion Revolution Week ein Zeichen gegen Wegwerfmode setzt. Beim Flick-Workshop können alle mitmachen, unabhängig von ihren Vorkenntnissen. «Ob ein Riss in der Lieblingsjeans oder ein fehlender Knopf - gemeinsam wird geflickt, ausprobiert und Wissen geteilt», so Hug. «Dabei entstehen Gespräche, kleine Geschichten zu Kleidungsstücken - und ein neues Bewusstsein für den Wert von Textilien.» Das Programm umfasst zudem Filmvorführungen in Partnerschaft mit dem Solarkino St.Gallen, Textildruck-Workshops und einen interaktiven Stadtplan, der zeigt, wo in St.Gallen fair produziert, Secondhand geshoppt oder Kleidung repariert werden kann. «Es gibt Angebote für alle - egal, ob man sich praktisch betätigen, theoretisch informieren oder sich einfach inspirieren lassen möchte», erklärt Hug.
Nachhaltigkeit spielt nicht nur in der Botschaft, sondern auch in der Umsetzung eine Rolle. «Wir prüfen, ob die Installation nach dem Abbau weiterverwendet werden kann, etwa beim nächsten Kinderfest», so Hofer. Auch eine Wiederholung des Projekts ist denkbar - allerdings nicht als dauerhafte Installation. «Eine temporäre Präsenz entfaltet eine stärkere Wirkung als eine permanente Kunstinstallation, die mit der Zeit zur Gewohnheit wird.» Und Hug ergänzt: «Früher war St.Gallen eine Hochburg der Textilproduktion - heute kann es ein Ort für bewussten und fairen Modekonsum sein.» Eine geplante «Flick- und Textilkarte» soll dauerhaft Orientierung bieten und nachhaltige Angebote sichtbar machen. «Wir sehen ein grosses Potenzial für St.Gallen, sich als Standort für bewussten Modekonsum zu etablieren», sagt Hug. «Verknüpfung» ist ein Pilotprojekt, das erstmals in dieser Form umgesetzt wird. Das Potenzial für eine Wiederholung ist gross. «Wir wollen nachhaltigen Modekonsum in der Region langfristig verankern - mit wiederkehrenden Impulsen, die Menschen inspirieren und bewegen», sagt Hug. Mit der Kunstinstallation und dem begleitenden Programm wird ein Zeichen gesetzt: Nachhaltigkeit bedeutet nicht Verzicht, sondern Kreativität, Gemeinschaft und neue Möglichkeiten. Alle können im Alltag einen Beitrag leisten - sei es durch bewussten Konsum, Reparaturen oder den respektvollen Umgang mit Kleidung.
Von Benjamin Schmid
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