Gabriela Eberhard
hat eine Interpellation zur Beflaggung der Stadt zur Pride 2025 eingereicht.
Am Rande des tropischen Regenwalds Boliviens betreibt der ehemalige Banker Urs Büchler eine Auffangstation für Wildtiere. Vor 20 Jahren tauschte er die hektische Welt der Finanzen gegen ein Leben in der Natur ein und kümmert sich heute um Hunderte von Tieren, die eine zweite Chance erhalten.
Dschungel Der Morgendunst hängt noch tief über dem Boden des bolivianischen Regenwaldes, als Urs Büchler durch weitläufige Anlagen seines Tierparks geht. Der Geruch von feuchter Erde und blühenden Pflanzen liegt in der Luft. Das Gezwitscher der Vögel begleitet ihn, während er die vertrauten Pfade entlangwandert. Über ihm spannen sich die grünen Wipfel der Bäume wie ein natürlicher Baldachin, der die ersten Strahlen der Sonne filtert. Für Büchler ist dies der schönste Moment des Tages – die Stille, die nur vom leisen Rascheln der Blätter und dem gelegentlichen Rufen eines Affen unterbrochen wird.
Vor mehr als 20 Jahren entschied sich Urs Büchler, seine Karriere im Bankwesen hinter sich zu lassen und einen völlig neuen Lebensweg einzuschlagen. Der selbstständige Anlageberater liess sich frühzeitig pensionieren und wanderte nach Bolivien aus. «Reisen war schon immer meine Leidenschaft», sagt er bei seiner jährlichen Stippvisite in St.Gallen, wo seine 98-jährige Mutter lebt. Der 74-Jährige wollte nie einen Ort zweimal bereisen und doch führte ihn das Schicksal 1994 wieder nach Santa Cruz de la Sierra in der tropischen Ebene östlich der Anden. Dorthin also, wo er 1978 eine ungemütliche Tropennacht verbrachte und anderntags sofort weiterreiste. Doch dieses Mal hatten es ihm die Weite und die unglaublich schöne und intakte Natur angetan und so wanderte Büchler 2003 nach Bolivien aus. Er kaufte sich eine Wohnung und genoss es, nichts zu tun. «Die Gründe für diesen radikalen Schritt waren mannigfaltig, aber ausschlaggebend waren die atemberaubende Artenvielfalt und der Reichtum an unberührter Natur», sagt er.
10'000 Kilometer vom Paradeplatz entfernt genoss der kinderlose Frührentner ein gutes, ruhiges Leben – raus aus dem hektischen Alltag und rein in die gemütliche Sonnenstube. Den Anzug und die Krawatte tauschte er gegen Shorts und
T-Shirts, Bratwurst und Rösti gegen Salteñas und Majadito und Schüga und Flauder gegen Yuka und Jugo de Achachairú. Büchler lag auf der faulen Haut und genoss das tropische Klima. Doch das ständige Nichtstun wurde eintönig und in ihm entstand der Wunsch, einer sinnhaften Arbeit nachzugehen. Deshalb gründete er 2009 die Stiftung «AFASI» – Die Fundación Amigos de la Fauna Silvestre, die sich für den Erhalt und die Pflege der bedrohten Flora und Fauna einsetzt. «Ich erkannte, dass die einzigartige Tierwelt Boliviens von illegalem Wildtierhandel und der Zerstörung von Lebensräumen durch Abholzung und Landwirtschaft bedroht war, und wollte etwas dagegen unternehmen», erklärt Büchler.
Auf einem 44 Hektar grossen Areal in der Pampa, das Büchler bereits früher erworben hatte, begann er mit dem Aufbau einer Auffangstation für Wildtiere. «Rund eine Autostunde ausserhalb von Santa Cruz wollte ich aus illegaler Haltung oder den Händen von Tierschmugglern befreiten Wildtieren ein artgerechtes Leben ermöglichen», erzählt der Auswanderer. Obwohl es in Bolivien verboten sei, privat Wildtiere zu halten, werde es oft gemacht. Von Familien, die Affen als Haustiere halten über Wilderer, die auf der Flucht vor der Polizei Grossschlangen feilbieten bis hin zu einem dubiosen Mann, der einen angeleinten Puma mit dem Taxi bei der Auffangstation vorbeibrachte – es gibt nichts, das Büchler nicht schon erlebt hat. «Überrascht bin ich nicht mehr, aber die armen Tiere tun mir bis heute leid», sagt er. Mit ein Grund, weshalb die Zahl der Tiere in seinem Refugium auf knapp 400 Exemplare anstieg. Hier werden Pumas und Ozelots, vier Affenarten, diverse Papageienarten, Wildschweine, Füchse, Land- und Wasserschildkröten, verschiedene Reptilienarten, Marder und Nasenbären von Büchler und seinem Team betreut und versorgt. «Wir bieten den Tieren eine zweite Chance, indem wir ihnen artgerechte Lebensbedingungen bieten und sie, wann immer möglich, auf ein Leben in Freiheit vorbereiten», informiert Büchler.
Ein typischer Tag beginnt für Büchler früh am Morgen. Noch bevor die Sonne aufgeht, hat er bereits die ersten Fütterungen durchgeführt und den Gesundheitszustand seiner Schützlinge überprüft. Jeder Tag bringt neue Herausforderungen mit sich – sei es ein neu angekommenes Tier, das dringend Pflege benötigt, oder die Instandhaltung der Einrichtungen. Die Arbeit ist hart und die Tage sind lang, doch für den Tierliebhaber gibt es keine grössere Erfüllung. «Ich habe nie zurückgeblickt», erklärt er. «Der Moment, in dem man sieht, wie ein Tier, das man gepflegt hat, wieder in die Wildnis zurückkehrt, ist unbeschreiblich. Das ist es, was mich jeden Tag antreibt.» Büchler sieht seine Station nicht nur als Ort der Rettung und Rehabilitation, sondern auch als Plattform für Aufklärung und Bildung. Regelmässig kommen Schulgruppen und Touristen, um mehr über die bedrohte Tierwelt und die Herausforderungen des Artenschutzes zu lernen.
Büchler ist zufrieden. Innert weniger Jahre hat er eine Auffangstation für Wildtiere aus dem Boden gestampft, viel Geld in die Realisierung seines Traumes gesteckt und in der Nähe der grössten Stadt Boliviens sein eigenes Paradies geschaffen. Dennoch kann und will er sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen. «Wir haben in den letzten Jahren so viel erreicht, aber es gibt noch so viel mehr zu tun», offenbart der 74-Jährige. Eine der grössten Herausforderungen sei die Finanzierung, schliesslich sei die Auffangstation auf Spenden angewiesen, um den täglichen Betrieb aufrechtzuerhalten und den Tieren die bestmögliche Versorgung zu bieten. Zahlreiche gerettete Tiere konnten wieder ausgewildert werden, und viele Menschen wurden für den Schutz der Natur sensibilisiert. «Jedes Leben, das wir retten, ist ein kleiner Sieg gegen das Aussterben», fügt Büchler hinzu. Um noch mehr Tieren helfen zu können, möchte er die Station erweitern – nicht nur flächenmässig, sondern auch personell. Er werde nicht mehr jünger und würde gerne etwas kürzertreten. Doch bis es soweit ist, plant er, das Bewusstsein für Artenschutz weiter zu stärken. «Wir sind nur ein kleiner Teil des grossen Ganzen, aber jeder kann etwas bewirken», resümiert Büchler und ergänzt: «Mein Traum ist es, dass unsere Arbeit hier dazu beiträgt, die Welt für künftige Generationen zu bewahren.»
Weitere Informationen unter: www.afasi.org
Von Benjamin Schmid
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