Michelle Kolb
Wir unterstützen Jugendliche mit Behinderungen bei der Stellensuche.
Mit Echoes of the Cathedral wird der St.Galler Stiftsbezirk erstmals musikalisch in Szene gesetzt. Das Emotion Wind Orchestra, unter der Leitung von Gabriel Mayer Hétu, bringt am 8. und 9. März mit der Komposition von Théo Schmitt ein aussergewöhnliches Konzert auf die Bühne der Tonhalle.
Uraufführung Die Idee für dieses besondere Konzertprojekt entstand durch eine spontane Inspiration. «Unser Dirigent Gabriel Mayer Hétu liess sich beim Schlendern durch den Stiftsbezirk von der
Atmosphäre und den historischen Gebäuden begeistern», erzählt Hansjörg Mauchle, Präsident des Emotion Wind Orchestra. «Die verschiedenen Räume und deren Vergangenheit boten sich ideal für eine Neukomposition an», sagt Mayer Hétu. Doch bevor die Idee in die Tat umgesetzt wurde, suchte das Orchester den Dialog mit der Kirche. «Uns war wichtig, das Einverständnis von Dompfarrer Beat Grögli einzuholen, bevor wir ein Werk über die Kathedrale in Auftrag gaben», so Mauchle weiter. Grögli zeigte sich nicht nur einverstanden, sondern brachte eine entscheidende Idee ein: «Er schlug vor, die Musik mit passenden Bildern zu ergänzen – und so wurde das Projekt audiovisuell.» Das Ergebnis ist Echoes of the Cathedral, ein 40-minütiges Werk, das am 8. März in der Tonhalle uraufgeführt und am 9. März wiederholt wird.
Die Komposition stammt aus der
Feder von Théo Schmitt, einem in Los Angeles lebenden Schweizer Komponisten. Interessanterweise hatte Schmitt St.Gallen vor der Komposition noch nie besucht. «Ich werde erst zur Uraufführung zum ersten Mal dort sein», gesteht er. «Aber ich habe mich intensiv mit der Geschichte der Stadt und des Stiftsbezirks beschäftigt und mit Beat Grögli zusammengearbeitet, um die Texte für den Chor und die Sopranistin zu gestalten.» Musikalisch verbindet Schmitt verschiedene Stile miteinander, wobei er sich stark von mittelalterlicher Musik, insbesondere von den gregorianischen Gesängen aus der Stiftsbibliothek, inspirieren liess», erklärt Schmitt. Doch Echoes of the Cathedral ist keine reine historische Rekonstruktion: «Ich habe auch Elemente aus Schweizer und irischer Folklore sowie experimentelle Musik eingebaut. Mein Ziel war es, eine Geschichte zu erzählen, die nicht nur in der Vergangenheit verankert ist, sondern auch in die Gegenwart und Zukunft blickt.» Neben dem Blasorchester spielen auch der Domchor unter der Leitung von Andreas Gut, eine Harfe und die St.Galler Sopranistin Kimberly Brockman eine zentrale Rolle. Dabei übernimmt Brockman verschiedene Rollen. Mal erzählt sie aus dem Leben des Klosters, mal wirkt sie wie ein Engel, ganz im Stil von J.S. Bach. Ein besonderes musikalisches Element ist das Spiel mit Echo-Effekten. «Die Komposition greift auf kontrapunktische und polyphone Techniken zurück, die bis ins Mittelalter reichen», erklärt Mayer Hétu.
Das Konzertprojekt ist nicht nur eine künstlerische, sondern auch eine kulturelle Bereicherung für St.Gallen. «Es stärkt die kulturelle Identität der Stadt, indem es Amateurmusikerinnen und -musiker aus der ganzen Ostschweiz zusammenbringt», betont Mauchle. Das Emotion Wind Orchestra, das vor rund zehn Jahren gegründet wurde, steht genau für solche Projekte: «Wir wollen musikalische Erlebnisse schaffen, die sowohl anspruchsvoll als auch öffentlichkeitswirksam sind», sagt der Präsident. Doch wie bereitete man ein Orchester auf ein völlig neues Werk vor? «Die Herausforderung liegt darin, dass es keine Referenzaufnahmen gibt», erklärt Mayer Hétu. «Die Musikerinnen und Musiker müssen lernen, einander intensiv zuzuhören, um die vom Komponisten beabsichtigten Effekte umzusetzen.» Dabei hilft die visuelle Komponente des Konzerts, in dem sie das Verständnis der Musik unterstützt. Darüber hinaus verleiht die Kombination aus Bild und Klang dem Konzert eine zusätzliche emotionale Tiefe. Schmitt selbst freut sich auf die Premiere: «Es ist ein besonderes Gefühl, ein Werk über eine so traditionsreiche Stadt zu schreiben, während ich in Los Angeles lebe. Aber genau das liebe ich – an einem Tag komponiere ich Musik für eine Kathedrale, am nächsten arbeite ich an einem Pop-Song für einen Film. Diese Vielfalt hält mich kreativ.»
Und welche Emotionen soll das Publikum während des Konzerts empfinden? «Das ist schwer zu sagen», meint Mayer Hétu. «Emotionen sind sehr individuell. Manche werden sich vielleicht an die spirituelle Dimension des Werks klammern, andere eher an die dramatischen oder festlichen Momente.» Schmitt ergänzt: «Mein Kompositionsprinzip ist einfach: Freude und Genuss. Wenn das Publikum mit einem starken Gefühl aus dem Konzert geht, habe ich mein Ziel erreicht.» Für St.Gallen bedeutet Echoes of the Cathedral mehr als nur ein Konzert. Es ist ein kulturelles Ereignis, das Geschichte, Klang und Moderne vereint – und das Publikum auf eine Reise durch Raum und Zeit mitnimmt.
Von Benjamin Schmid
Lade Fotos..